Die neunköpfige Auswahlkommission unter Vorsitz von Prof. Dr. Erich Schröger (Prorektor Forschung und wissenschaftlicher Nachwuchs) hat aus 52 eingegangenen Nominierungen drei Preisträger:innen ausgewählt: Prof. Dr. Anja Mehnert-Theuerkauf (Medizinische Fakultät) erhält den Hauptpreis, Prof. Dr. Christoph Baums und Prof. Dr. Dr. Simone Fietz (beide Veterinärmedizinische Fakultät) erhalten jeweils einen Anerkennungspreis.
Bitte stellen Sie sich kurz vor.
Mehnert-Theuerkauf: Seit 2012 arbeite ich am Universitätsklinikum und der Medizinischen Fakultät der Universität Leipzig. Dort habe ich zunächst die Sektion Psychosoziale Onkologie geleitet und dann bis heute die Abteilung für Medizinische Psychologie und Medizinische Soziologie. Davor habe ich lange am Institut für Medizinische Psychologie am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf gearbeitet, dort promoviert und habilitiert. Zwischendurch war ich immer wieder im Ausland, länger als Postdoc am Memorial-Sloan-Kettering Cancer Center in den USA, im Rahmen von kürzeren Aufenthalten in Japan, Israel und Kanada. Bislang habe ich 16 abgeschlossene Promotionen betreut – acht psychologische und acht medizinische.
Baums: Ich bin seit 2014 Leiter des Instituts für Bakteriologie und Mykologie der Veterinärmedizinischen Fakultät (VMF). Zuvor habe ich an der Tierärztlichen Hochschule Hannover (TiHo) im Institut für Mikrobiologie promoviert, habilitiert und eine kleine Arbeitsgruppe geleitet. An der TiHo konnte ich meine ersten Erfahrungen mit der Betreuung von tiermedizinischen und biologischen Doktorarbeiten sammeln (insgesamt sieben). An der VMF sind es bis heute 12 Arbeiten (davon sechs abgeschlossen) aus meinem Institut und zwei Arbeiten aus anderen Einrichtungen, in denen ich als Co-Betreuer agiert habe. Fünf der von mir betreuten Doktorarbeiten sind mit Preisen ausgezeichnet worden.
Fietz: Ich bin promovierte Veterinärmedizinerin und seit 2013 an der VMF der Universität Leipzig tätig. Von 2014 bis 2020 war ich Juniorprofessorin für Funktionelle Neuroanatomie am Veterinär-Anatomischen Institut und habe im vergangenen Jahr den Ruf auf die Professur für Funktionelle Histologie und Embryologie an der VMF angenommen. Derzeit begleite ich sieben Promovend:innen, von denen sich der Großteil in der finalen Phase der Promotion befindet.
Was bedeutet für Sie gute Promotionsbetreuung?
Fietz: Gute Promotionsbetreuung besteht aus einem Zusammenspiel unterschiedlicher Faktoren. Neben einer fachlich kompetenten Unterstützung der Promovend:innen bei der Planung und Umsetzung des Forschungsprojekts, gehört für mich die Förderung der Teilnahme an Doktorand:innenseminaren und Fachkonferenzen sowie die Anregung und aktive Unterstützung bei der Veröffentlichung der Forschungsergebnisse in begutachteten Fachzeitschriften dazu. Für eine effiziente Promotion ist es wichtig, dass die Promovend:innen ihren Lebensunterhalt nicht durch anderweitige Tätigkeiten erbringen müssen. Deswegen schließt eine gute Promotionsbetreuung die Bereitstellung einer Finanzierung bzw. die Unterstützung der Promovend:innen bei einer Suche nach einer Finanzierung der Promotionsphase ein.
Am Beginn der Promotion steht für mich eine realistische und angemessene Zeitplanung des Forschungsvorhabens. Bereits in der Planungsphase halte ich Meilensteine der Dissertation gemeinsam mit den Promovend:innen klar definiert und schriftlich fest. Die Regeln für gute wissenschaftliche Praxis erkläre ich präzise und anschaulich. Während der Durchführung des Forschungsvorhabens prüfe ich das Erreichen der Meilensteine in regelmäßig stattfindenden Arbeitsbesprechungen. Ich möchte die Promovend:inen angeregen, Forschungsergebnisse kritisch zu hinterfragen und auftretende Probleme initial selbstständig zu lösen. Die detaillierte Aufarbeitung des Problems erfolgt anschließend gemeinsam mit den Promovend:innen, idealerweise im Team. Auch die Etablierung einer positiven Fehlerkultur, in der Fehler als Motivation für Weiterentwicklung und Verbesserung betrachtet werden, ist in diesem Zusammenhang bedeutsam.
Ein weiterer essentieller Baustein einer guten Promotionsbetreuung liegt in guter Kommunikation. Diese zeichnet sich durch gegenseitige Ehrlichkeit, Offenheit und Direktheit aus. Ich möchte für die Promovend:innen gut und einfach erreichbar sein. Eine vertrauensvolle Zusammenarbeit setzt zudem das Pflegen einer wertschätzenden Feedbackkultur im Team voraus.
Für die berufliche Weiterentwicklung nach Abschluss der Promotion, möchte ich den Promovend:innen passfähige universitäre und außeruniversitäre Karrieremöglichkeiten aufzeigen. Dazu gehört, dass die Promovend:innen durch mich frühzeitig in institutsübergreifende wissenschaftliche Netzwerke eingebunden werden.
Nicht zuletzt zeichnet sich eine gute Promotionsbetreuung für mich durch das Aufbringen von Verständnis und Einfühlungsvermögen für die persönlichen Belange und privaten Lebenssituationen der Promovend:innen aus. Als Mutter zweier kleinen Kinder ist es mir in diesem Zusammenhang wichtig aufzuzeigen, dass die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zwar herausfordernd, aber realisierbar ist.
Baums: Die Herausforderung besteht in der Schaffung einer Arbeitsatmosphäre, die die eigenständige, wissenschaftliche Entwicklung der Doktorand:innen fördert und Raum für eigene Ideen und Interessen lässt. Alle Schritte, die zu einem guten Arbeitsklima unter den Doktorand:innen und zu den anderen wissenschaftlichen und technischen Mitarbeiter:innen beitragen, stärken auch die Promotionsbetreuung.
Mehnert-Theuerkauf: Eine gute Promotionsbetreuung bedeutet für mich ein ausgewogenes Maß an exzellenter wissenschaftlich-fachlicher Anleitung und der Freiheit, Themen zu erkunden, Dinge auszuprobieren und auch ein paar Umwege machen zu können. Zur wissenschaftlich-fachlichen Betreuung gehören neben dem fachbezogenen Wissen die Förderung von Wissenschaftskompetenzen, auch oft als „scientific literacy“ bezeichnet, d. h. kritisches Denken, aber auch wissenschaftliches Arbeiten, Schreiben, Präsentieren. Zu einer guten Betreuung gehört auch, Perspektiven aufzuzeigen, Doktorand:innen im Verlauf ihrer Arbeit entsprechend ihren Fertigkeiten und ihrer aktuellen Lebenssituation gut zu beraten sowie eine gute Mischung zwischen Sorgfalt und Kreativität, Exzellenz und Pragmatismus anzustreben.
Wann/unter welchen Umständen fällt gute Promotionsbetreuung besonders leicht? Wann besonders schwer?
Mehnert-Theuerkauf: Eine gute Promotionsbetreuung fällt besonders leicht, wenn die/der Doktorand:in neben dem Interesse am Thema eine hohe Lernbereitschaft mitbringt, sich insbesondere Wissenschaftskompetenzen anzueignen. Daneben gibt es bei fast jeder Promotion auch Durststrecken oder Enttäuschungen, z. B. dass die Datenerhebung länger dauert oder dass Ergebnisse anders ausfallen, als erwartet. Besonders schwer ist die Betreuung, wenn die Arbeit lange Zeit unterbrochen wird, z. B. durch äußere Umstände, aber manchmal auch durch fehlende Motivation. Bei sehr langen zeitlichen Abständen fällt es schwer, am Ball zu bleiben und sich immer wieder neu einzudenken, auch für die Doktormutter oder den Doktorvater.
Fietz: Gute Promotionsbetreuung fällt besonders leicht, wenn für alle Promovend:innen gleiche Ausgangs- und Rahmenbedingen (z. B. gleiche Finanzierung) vorliegen und zwischen der Betreuungsperson und den Promovend:innen ein Vertrauensverhältnis besteht, auf deren Basis offen diskutiert werden kann. Zudem fällt gute Promotionsbetreuung besonders leicht, wenn sich die Promovend:innen sowie die Betreuungsperson für das Forschungsthema begeistern.
Erschwert wird die Promotionsbetreuung durch Bedingungen, unter denen ein wissenschaftlicher Austausch in Präsenz, gemeinsames Arbeiten und Anleiten im Labor sowie soziale Treffen nicht stattfinden können (z. B. während der COVID-19-Pandemie). Hier gilt es, durch eine Verstärkung der Kommunikation und ein Anbieten geeigneter Alternativen, Schwachstellen auszugleichen und neue Kompetenzen weiterzuentwickeln.
Baums: Gute Betreuungsarbeit fällt in einem starken kooperativen Team leicht. Natürlich spielt die Doktorand:in auch eine große Rolle: Motivation, Konzentration auf das Experiment, Durchhaltevermögen und ein besonderes Interesse an den Fachpublikationen sind wichtig. Wenn die Motivation und das Interesse nachlassen oder Selbstzweifel auftreten, steht man als Betreuungsperson vor größeren Herausforderungen.
Was können Sie zukünftigen Betreuungspersonen mit auf den Weg geben?
Baums: Wenn es sich gerade am Anfang nicht so entwickelt, wie man es sich vorstellt, sollte eine gute Betreuungsperson sich in persönlicher Kritik der Doktorand:in gegenüber zurückhalten. Jede Mitarbeiter:in hat das Recht auf eine Einarbeitungszeit und einige der von mir betreuten Arbeiten waren erst im letzten Drittel wirklich erfolgreich.
Mehnert-Theuerkauf: Ein ausgewogenes Maß zu finden zwischen der Begeisterung für ein Thema, dem Streben nach wissenschaftlicher Exzellenz, einer gewissen Strenge und Pragmatismus, dass nicht alle empirischen Arbeiten so verlaufen, wie man es plant oder erwartet und dass die Doktorand:innen auch mal fertig werden müssen. Eine abgebrochene Promotion nagt oft noch lange am Selbstwertgefühl und zuweilen ist eine frühzeitige, gute Beratung manchmal auch gegen eine Promotion besser. Wichtig ist weiterhin der wissenschaftliche Austausch, nicht nur in einem Institut in einer Forschungsgruppe, sondern auch national und international. Kongressteilnahmen oder Auslandsaufenthalte, auch kurze, erweitern den Horizont und geben neue Perspektiven, nicht nur wissenschaftlich. Aber z. B. auch Visiting Professorships an einer Abteilung sind hilfreich, um den wissenschaftlichen Austausch für Doktorand:innen individuell und breiter auszugestalten.
Fietz: Gute Kommunikation, Respekt und Wertschätzung sind essentiell für eine gute Zusammenarbeit und einen erfolgreichen Abschluss der Promotion. Alle Prozesse und Maßnahmen, die die Kommunikationsfähigkeit im Team stärken, sind wichtig und sollten vor diesem Hintergrund als lohnende Investition betrachtet werden.